GENESIS | Markus Lüpertz
365-Tage-Galerie
MARKTPLATZ – Richtung Ettlinger Tor
DIE LOCKEN EINER FRAU
Christus und David trotzen dem Tode.
Fotografie: Atelier Altenkirch, Karlsruhe
Christus und David trotzen dem Tode.
Fotografie: Atelier Altenkirch, Karlsruhe
Am Marktplatz war eine Anbringung von zwei Keramikbildern auf je einem Bahnsteig nicht möglich, weil sich neben den beiden Bahnsteigen ein Abstellgleis befindet. Deshalb sind auf der Westseite (Gleis 1) zwei Bilder mit einigem Abstand voneinander angebracht. Beide tragen Titel, die einen breiten Raum für eigene Interpretationen eröffnen, die Fantasie des Betrachters anregen mögen, allerdings auch Verwirrung stiften. Ihre Arbeitstitel stellen dagegen einen direkten Bezug zu den Keramiken her.
Der ursprüngliche Titel für dieses Keramikbild lautete „Christus in der Unterwelt. Christus – David (der Schnösel) mit Kopf von Goliath – Tod“. Es handelt sich zusammen mit der auf der Nordseite Kronenplatz geschilderten Szene von Salome, die vor Herodes tanzt, um die einzige Darstellung mit christlichem Bezug. Die Darstellung auf dieser Keramiktafel wird im apokryphen Nikodemusevangelium (4. Jhd. n. Chr.) beschrieben, fand aber keinen Eingang in die Bibel. Dort wird nur davon berichtet, dass Christus nach drei Tagen, in denen er „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ sei, von den Toten auferstanden ist. Obwohl es sich beim Bildthema „Christus in der Unterwelt“ um eines der wichtigsten der christlichen Ikonographie handelt, wird es in der westlichen Kunst zumeist nur in ausführlichen Bildzyklen dargestellt, die das Leben Christi schildern. Oft tritt Christus dort als Überwinder des Todes auf, erkennbar an den zerbrochenen Toren der Unterwelt und der Siegesfahne. Dagegen präsentiert Markus Lüpertz Christus bis zu den Oberschenkeln im Wasser stehend, nur mit Lendenschurz bekleidet und die Hände zum Gebet vor der Brust gefaltet. Rechts neben ihm steht, den Kopf Goliaths in Händen haltend, David, Stammvater des Geschlechts, aus dem auch Jesus stammt.
Entsprechend lässt sich die Szene dahingehend interpretieren, dass Jesus nicht nur die Vorväter und alttestamentarischen Gerechten aus der Vorhölle befreit, sondern dort auch für David – und damit für seine eigenen Vorväter – betet. Der skelettierte Fisch, aus dem Hände herausragen, erinnert einerseits an die Mischwesen, die insbesondere die Höllendarstellungen von Hieronymus Bosch bevölkern. Andererseits könnte es sich auch um einen subtilen Hinweis von Markus Lüpertz auf den aktuellen Stand der christlichen Kirchen in unseren Breiten handeln.
Text: © Chris Gerbing, 2023
WEITERE INFORMATIONEN
365-TAGE-GALERIE
Zur Orientierung finden Sie hier eine Übersicht über die 365-Tage-Galerie „Genesis“, die mit der Karlsruher U-Bahn an fast 24 Stunden täglich erreichbar ist.
Sie möchten tiefer in die „Genesis“-Thematik und die Kunstwerke von Markus Lüpertz eintauchen? Dann wenden Sie sich an die Tourist-Information Karlsruhe und buchen Sie über diesen Link eine Führung. Dort erhalten Sie auch das „Genesis“-Booklet mit Abbildungen aller 14 Keramiken sowie einer Tageskarte für zwei Personen (14,-/KVV-Zone 2) und die „Genesis“-Trilogie (Weitere Infos hier, 120,- Euro)
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